Rechspruch

Berechtigtes Interesse kann auch humanitär sein

Wer geflüchtete Menschen aufnehmen will, hat einen Anspruch auf Erlaubnis der Untervermietung von Seiten des Vermieters, urteilte das Landgericht Berlin im Juni 2023 in zweiter Instanz. Das laut BGB erforderliche „berechtigte Interesse“ des Mieters schließe eine humanitäre Motivation ein.

Vermieter muss Untervermietung an Geflüchtete zustimmen

Der Bedarf an Unterkünften für ukrainische Geflüchtete ist immens. Bis Jahresende 2023 werden laut einer Datenanalyse von empirica regio voraussichtlich weitere 600.000 Wohnungen benötigt. Kommunen klagen zunehmend über Kapazitätsengpässe. Vor diesem Hintergrund verwundert es, dass die Rechtsprechung in diesem Punkt so lange unklar war. So hatte das Amtsgericht München Ende 2022 die Klage einer Mieterin abgelehnt, die ein Zimmer an eine aus der Ukraine geflüchtete Frau untervermieten wollte.

Klägerin im aktuellen Berliner Fall war die Mieterin einer Dreizimmerwohnung, deren Vermieter die Erlaubnis, an eine Geflüchtete aus der Ukraine unterzuvermieten, an die Bedingung der Einführung einer Index- statt der vertraglich geltenden Staffelmiete geknüpft hatte (Az. 65 S 39/23). Kernpunkt der Verhandlung vor Gericht war jedoch nicht diese Frage, sondern die im Mietrecht nicht klar geregelte Definition des „berechtigten Interesses“ an einer Untervermietung.

Laut § 553, Abs. 1 Satz 1 BGB kann ein Mieter die Erlaubnis zur Untervermietung eines Teils (nicht der gesamten!) gemieteten Wohnung verlangen, wenn er nachvollziehbare, vernünftige Gründe für seinen Wunsch vorbringt und dies für den Vermieter zumutbar ist. „Dabei ist jedes Interesse des Mieters (…) als berechtigt anzusehen, das mit der geltenden Rechts- und Sozialordnung im Einklang steht. Es kann sich um ein wirtschaftliches, aber auch um ein persönliches Interesse handeln“, heißt es in einem juristischen Kommentar, der von Richtern gern als Leitlinie verwendet wird (Schmidt-Futterer/Blank, 14. Aufl. 2019, BGB § 553 Rn. 4).

Das Landgericht Berlin entschied, dass eine Untervermietung aus humanitären Gründen durchaus ein solches berechtigtes Interesse darstellt. Erforderlich sei lediglich, dass der Mieter grundsätzlich beabsichtige, die Wohnung mit einer weiteren Person zu teilen, auch wenn er dies aus altruistischen Gründen und nicht im eigenen, persönlichen Interesse tue und mit der betreffenden Person auch kein partnerschaftliches Zusammenleben beabsichtige, so das LG Berlin. (Bei Ehe- oder Lebenspartnern, Kindern oder Eltern braucht der Mieter keine Zustimmung des Vermieters.)

Der Vermieter kann seine Erlaubnis nur dann verweigern, wenn die Wohnung durch den Zuzug überbelegt wäre oder die Person des Untermieters „nicht akzeptabel“ ist – die nationale Herkunft stellt keinen Ablehnungsgrund dar. Im Falle einer unberechtigten Verweigerung muss der Vermieter dem Mieter die entgangene Untermiete sogar ersetzen (vgl. Az. VIII ZR 349/13).

Holt der Mieter keine Erlaubnis ein, wenn er geflüchtete Menschen für längere Zeit – also länger als die für jedweden Besuch erlaubnisfrei zugestandenen acht Wochen – bei sich aufnehmen will, riskiert er eine Abmahnung. Und, sollte das Untermietverhältnis dann nicht umgehend beendigt werden, eine fristlose Kündigung. Es sei denn, der Vermieter hat seine Zustimmung zu Unrecht verweigert oder der Mieter hat lediglich vergessen, eine Erlaubnis einzuholen.

Untermieter besitzen volle Mietrechte

Übrigens: Eine Untervermietung aus humanitären Gründen bedeutet nicht, dass keine Miete verlangt werden kann. Will man auf Nummer sicher gehen, kann ein Untermietvertrag mit dem Sozialamt abgeschlossen werden, das die Miete übernimmt, wenn der Geflüchtete über kein ausreichendes Einkommen verfügt. Auch Heizkosten werden bis zu einer bestimmten Höhe von der Behörde bezahlt.

Wer untervermietet, sollte beachten, dass der Untermieter volle Mietrechte besitzt. Um Probleme mit einer etwaigen Kündigung zu vermeiden, kann man den Untermietvertrag zeitlich befristen. Bedenken sollten Hauptmieter  auch, dass sie haften, sollte der Untermieter einen Schaden an der Wohnung verursachen.

Quellen: gesetze-im-internet.de, openjur.de, lto.de, formblitz.de, mieterbund.de, haufe.de, rechtsanwalt24.de, deutschlandfunk.de