Zoff um Nadeln und Zapfen
Es ist manchmal etwas skurril, was deutsche Gerichte in Atem hält. Im sogenannten Schwarzkieferstreit zweier Grundstücksnachbarn über den Rückschnitt eines Baumes musste nun der Bundesgerichtshof entscheiden.
Wieder einmal lag die Streitaxt an der Grundstücksgrenze zweier Nachbarn begraben. Auf einem der Grundstücke im Raum Berlin steht seit etwa 40 Jahren eine 15 Meter hohe Schwarzkiefer, deren Äste bereits seit mindestens 20 Jahren auf das Nachbargrundstück ragen. Der beklagte Nachbar fühlte sich durch die Zapfen und Nadeln gestört, die vom nachbarlichen Baum auf sein Grundstück herunterrieseln. Nachdem er den Nachbarn vergebens aufgefordert hatte, die keck in sein Grundstück hineinhängenden Äste der Schwarzkiefer zurückzuschneiden, sah er rot, griff selbst zur Säge und schnitt den grünen Überhang kurzerhand einfach ab.
Dies wiederum missfiel dem Baumeigentümer. Er forderte den Nachbarn auf, seine Selbsthilfe-aktionen abzubrechen, zumal der Mann auf der anderen Seite des Gartenzaunes Zweige oberhalb von fünf Metern gestutzt hatte, was nach Ansicht des Baumbesitzers die Standsicherheit der Kiefer gefährden könnte. Der berieselte Nachbar blieb jedoch uneinsichtig und wurde folglich beklagt. Sowohl das Amts- als auch das Landgericht gaben dem Baumeigentümer Recht. In letzter Instanz landete der Fall beim BGH und dieser hob die Entscheidung der Vorinstanz auf. Das Urteil (verkündet am 11. Juni 2021): Der Überhang darf abgeschnitten werden (V ZR 234/19).
Beschnitte bei Beeinträchtigung zulässig
Der V. Zivilsenat berief sich auf das Selbsthilferecht des beklagten Nachbarn. Das Landgericht muss nun klären, ob die Nutzung des Nachbargrundstücks tatsächlich durch den Überhang beeinträchtigt wird. Wenn dies der Fall ist, darf der Nachbar die überhängenden Äste gemäß § 910 Abs. 1 BGB abschneiden – auch wenn er durch diese Aktion das Überleben des Baumes oder dessen Standfestigkeit gefährdet. (Letzteres ist allerdings bemerkenswert, denn ein unkontrolliert fallender Baum kann zweifellos mehr Schaden anrichten als ein paar überhängende Äste.)
Das Selbsthilferecht kann laut BGH allerdings durch naturschutzrechtliche Regelungen wie Baumschutzverordnungen eingeschränkt sein. Auch dies muss das Landgericht nun prüfen.
Quellen: bundesgerichtshof.de, lto.de, tagesschau.de, haufe.de, zdf.de