BGH verschärft Auskunftspflichten für Immobilienverkäufer
Erhebliche Auswirkungen auf das Immobilienrecht werden dem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 15. September 2023 attestiert, mit dem der BGH die Auskunftspflicht verschärft hat. Immobilienverkäufer sind demnach verpflichtet, den Käufer ungefragt und proaktiv auf relevante Umstände wie anstehende Sanierungskosten hinzuweisen.
Mehr Sicherheit und Transparenz.
Gegenstand des Prozesses war ein Immobilienverkauf in Hannover. 2019 hatte eine Firma mehrere Gewerbeeinheiten in einem großen Gebäudekomplex für über 1,5 Millionen Euro erworben und wurde nicht, zumindest nicht aktiv, darauf hingewiesen, dass immense Sanierungskosten von bis zu 50 Millionen Euro auf sie zukommen.
Kalt erwischt: Erst kurz vor dem Notartermin hatte die (nicht näher bezeichnete) Verkäuferin das maßgebliche Protokoll einer Eigentümerversammlung von 2016, in der diese Sonderumlage besprochen worden war, in einen virtuellen Datenraum gestellt – ohne weiteren Hinweis, etwa per E-Mail. Dies geschah an einem Freitag, der Vertragsabschluss war für den darauffolgenden Montag geplant.
Das Protokoll sei „klammheimlich eingestellt“ und ihr „untergeschoben“ worden, klagte die Käuferin, als sie nach dem Kauf vom Pferdefuß der Transaktion erfuhr, und forderte Schadensersatz. Die Verkäuferin hingegen argumentierte, dass die Käuferin den Vertragstext gekannt haben müsse. Wenn sie keine Nachfragen stelle, sei das „strammes Verschulden gegen sich selbst“.
Die Käuferin zog vor Gericht, scheiterte jedoch in den ersten beiden Instanzen. Sowohl das LG Hildesheim als auch das OLG Celle befanden, dass die Käuferin das Protokoll in der Cloud gelesen bzw. den Erhalt bestätigt habe.
Das sah der BGH anders:
Die Verkäuferin habe ihre vorvertragliche Aufklärungspflicht verletzt, urteilten die obersten Zivilrichterinnen und -richter. Sie hätte ungefragt über den Kostenumfang einer Sanierung aufklären müssen, der bei 50 Millionen Euro „zweifelsohne von erheblicher Bedeutung“ sei, so der BGH. Die Möglichkeit des Zugriffs auf offenbarungspflichtige Daten reiche nicht aus. Die Käuferin hätte darüber hinaus einen ausdrücklichen Hinweis auf die hohen Sanierungskosten erwarten dürfen. Der BGH hob das Urteil weitgehend auf und verwies es zur neuen Verhandlung zurück an die Vorinstanz.
Damit stärkt der BGH das Recht von Immobilienkäufern auf Sicherheit und Transparenz und beendet die bislang nicht unübliche Praxis, sich durch eine bisweilen sehr kurzfristige digitale
Offenlegung relevanter Unterlagen von jeglicher Haftung zu befreien. Wesentliche Informationen müssen dem Käufer fortan frühzeitig und eindeutig offengelegt werden.
„Es genügt nicht, dass der Verkäufer alle relevanten Tatsachen jenseits von Sach- und Rechtsmängeln dem Käufer ungefiltert vor die Füße kippt. Vielmehr kann man die Entscheidung so verstehen, dass der Verkäufer ihn mit der Nase darauf stoßen muss“, bringt es Christian Osthus, stellvertretender Geschäftsführer und Justiziar beim IVDBundesverband , auf den Punkt.
Die Verpflichtungen des Verkäufers treffen damit auch implizit einen von ihm beauftragten Makler. Anika Schönfeldt-Schulz, Vorsitzende des IVD Nord, begrüßt die Entscheidung des BGH: „Es ist für die im IVD organisierten Makler selbstverständlich, gegenüber den an einer Immobilientransaktion Beteiligten offen, fair und transparent zu kommunizieren. Dies gebietet die für uns selbstverständliche Berufsethik.“
Quellen: bundesgerichtshof.de, lto.de, sueddeut-sche.de, anwalt.de, haufe.de, rsw.beck.de, iz.de, ivd.net, rosepartner.de